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Kurt Kreikenbom, 1965-2017

vocals
acoustic guitar
electric guitar
drums
percussion
synthesizer









Every Wistful Waiting Star

Warum um Himmels Willen Gedichte vertonen, und wie habt ihr das gemacht?

„At the time I was enthralled with the Oxford Book of English Verse. These lyrics reflect that enchantment“ schreibt Judy Henske auf ihrer Website über die Texte des Albums Farewell Aldebaran von 1969, welches ich, danach gefragt, was denn eigentlich meine Lieblingsplatte sei, jederzeit zuerst nennen würde.

Kaum mit dieser wichtigen Information ausgestattet, machte ich mich unverzüglich auf die Suche nach einem Exemplar des Buches – den Stoff wollte ich doch auch mal probieren! Ich fand ein gut erhaltenes Stück aus der zweiten, erweiterten und vom Herausgeber Arthur Quiller-Couch bearbeiteten Auflage von 1939 und stellte fest: es ist ein schweres Werk! Ein Kilogramm Gedichte von 1250-1918!

Als ich das Inhaltsverzeichnis nach Anhaltspunkten für Judys Faszination durchblätterte, fiel mir auf, dass die Anthologie bestimmt 30 Gedichte enthält, die nicht nur einfach „Song“ heißen, sondern sich auch spontan singen und auf der Gitarre begleiten ließen. Beim Durchblättern entdeckte ich außerdem, dass die 30 „Songs“ bei weitem nicht die einzigen Gedichte waren, die mich nahezu um Vertonung anbettelten; ich war offenbar auf Gold gestoßen!

Meine Kenntnisse der englischsprachigen Literaturgeschichte waren (und sind) sehr lückenhaft, so dass ich die Gedichte im Oxford Book ganz unvoreingenommen auf Singbarkeit abklopfte, ohne mich darum zu scheren, ob das vor mir schon mal jemand versucht hatte. Nach einiger Zeit merkte ich aber doch, dass da große Teile des Kanons der englischen Poesie versammelt waren, die seit Jahrzehnten in ein Kunstlied gegossen sind, ich entsprechend um einige Texte besser einen Bogen machen sollte, wenn ich als Songwriter nicht ganz blöd dastehen wollte. Andererseits: wenn mir die Akkorde nur so zuflogen zu einem Text, soll ich mich denn direkt selbst zensieren?

Wollte ich Gedichte singend interpretieren, stand ich ohnehin vor Aufgaben, mit denen ich bislang kaum zu tun hatte, da ich doch hauptsächlich meine eigenen Texte sang, die mich hinsichtlich ihrer klanglichen und rhythmischen Komplexität selten vor Probleme stellten.

Als Fan von Dietrich Fischer-Dieskau, Elisabeth Schwarzkopf und ihrer Hugo Wolf-Aufnahmen wußte ich bereits, dass es in einer guten Interpretation darauf ankam, für jede Silbe, jedes Komma, jedes Leerzeichen eine bewusste Entscheidung zu treffen, wie das jeweils aufzufassen und zu singen sei. Zwar hat Hugo Wolf mehr als andere Liedkomponisten seinen Sängern und Sängerinnen Hilfestellung in Form von extrem detaillierten Notationen und Anmerkungen an die Hand gegeben, ob diese (und natürlich das Gedicht selbst!) von den Ausführenden verstanden und nach ihrem Sinngehalt ausgestaltet worden waren, entschied sich aber allein daran, wie diese das Lied vortrugen. Uff!

Musste ich nun, um meinen künstlerischen Ansprüchen zu genügen, mal eben vom mit sich selbst beschäftigten Songwriter zum Kunstliedsänger umschulen? Nicht ganz: zwar kam ich um die eben beschriebenen Detailentscheidungen nicht herum, der musikalische Rahmen war aber ein erheblich einfacherer und pflegeleichterer als in Hugo Wolfs hochkomplexen Liedern: wann immer ich mich mit Thomas zum Proben traf, improvisierten wir eine Weile und erarbeiteten anschließend ein paar einfache Akkordfolgen und Melodien.

Aus einer Vorauswahl, die ich zuhause getroffen hatte, suchte ich anschließend ein ungefähr passendes Gedicht aus, an das die zuvor entwickelte harmonische Struktur angepasst wurde. War ein gemeinsamer Rhythmus von Text und Musik gefunden, nahmen wir das Ganze auf, meist eine akustische Gitarre und den Bass zuerst, gefolgt von weiteren Melodieinstrumenten und einer vorläufigen Gesangsspur, alles ganz spontan und den ersten Eingebungen folgend.

Anschließend kamen bei Bedarf noch Percussion, exotische Instrumente, Gitarrensoli etc. hinzu. Bis diese auf Band waren, war ich meist sicher, ob ich das neue Stück nochmal singen müsste oder nicht (meistens schon). Wenn wir uns beide nicht sicher waren, wurde die Frage auf das nächste Treffen verschoben. An einem guten Abend entstand so ein komplett fertiges Stück, einmal sogar zwei!

Auf diese Weise sammelten sich in der zweiten Jahreshälfte 2009 gut zwei Dutzend Songs und Improvisationen an, darunter zehn, die den möglichen Grundstock für ein schönes Album bildeten. Kaum zuvor hatten auch Aufnahmen, die wir mit eigenem Gerät gemacht hatten, so gut geklungen. Das Wunder der Bandsättigung! Private Verwicklungen und Katastrophen sorgten jedoch dafür, dass wir die Arbeit nicht fertigstellten, sondern stattdessen auf unbestimmte Zeit liegen ließen.

Nur sporadische Sessions in den nächsten beiden Jahren folgten, weitere unfertige Songs kamen immerhin hinzu. Erst Ende 2011 stellten wir fest, dass wir nicht nur beide einige unserer gemeinsamen Aufnahmen für das beste hielten, das wir je gemacht hatten, sondern auch Lust hatten, die nötige Arbeit zu investieren, wirklich etwas zu veröffentlichen.

Sie werden es erraten haben, nun, im Sommer 2014: so etwas dauert! Zunächst einmal ging das betagte Tonbandgerät kaputt, und wir mussten einen Weg finden, die unfertigen Aufnahmen und keineswegs perfekten Rohmixe am Computer weiter zu bearbeiten, die wir, ich weiß nicht welcher bösen Vorahnung folgend, zum Glück frühzeitig in Einzelspuren auf einer Festplatte gespeichert hatten. Die meisten jedenfalls, von mindestens zwei Songs existiert nur der Live-Mix vom Tonband.

Erste Versuche im Hard Disc Recording mit Studio One brachten noch keine befriedigenden Ergebnisse, mit der aktuellen Version von Logic Pro X kamen wir aber 2013 einen großen Schritt weiter und erhielten gratis erstmals einen brauchbaren Drummer (hallo Kyle!). Wir hatten endlich wieder richtig Spaß am Aufnehmen und erweiterten das Programm um eine Vielzahl neuer Stücke. Anfang dieses Jahres fanden wir dann auch noch ein Audio Interface, das unseren Vorstellungen entsprach.

Das Klangbild hat sich mit der veränderten Technik natürlich verändert – warum soll man nicht auch synthetische Instrumente benutzen, wenn man sie doch hat? Ich finde dennoch, dass die 12 Songs als Ganzes gut zusammenpassen, weil ein paar grundlegende Elemente offenbar zu der Art gehören, wie Thomas und ich Musik zusammen machen. Uns gefällt das! Ich hoffe, dass unser Publikum genauso viel Freude daran hat wie wir.

Kurt Kreikenbom, Juni 2014

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